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(Von Luca Rohleder) Jeder, der sich mit der Grundlagenphysik beschäftigt, wird früher oder später mit der Frage konfrontiert, ob eine höhere Idee hinter unserer Welt verborgen ist. Gibt es einen Sinn des Lebens? Der deutsche Physiker und Nobelpreisträger Werner Heisenberg soll es einmal folgendermaßen ausgedrückt haben:

„Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch, aber auf dem Grunde des Bechers wartet Gott.“

Was meinte er damit? Sprach er vom Sinn des Lebens? Fangen wir ganz von vorne an: Wir alle bestehen aus Atomen. Doch hier taucht schon das erste Paradoxon auf. Atome bestehen im Prinzip aus nichts. Sie besitzen zwar einen festen Atomkern inklusive der Elektronen, aber entscheidend sind die Größenverhältnisse. Würde man den Durchmesser eines Atomkerns auf einen Zentimeter vergrößern, dann wäre die Atomhülle, in der sich die Elektronen bewegen, circa einen Kilometer weit vom Kern entfernt. Dazwischen ist praktisch leerer Raum.

Warum können wir etwas anfassen, wenn alles zu 99,99 Prozent aus leerem Raum besteht?

Die Antwort liegt in den subatomaren Elementarkräften. Dabei wirken neben der starken und schwachen Kernkraft vor allem elektromagnetische Kräfte. Bildhaft können wir uns das wie Magnete vorstellen, die eine anziehende oder abstoßende Kraft auf Objekte ausüben.

In Wirklichkeit können wir nichts anfassen. Wir spüren nur Atomkräfte, die unseren Sinnen Berührung, Festigkeit und Sichtbarkeit vorgaukeln.

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Solche subatomaren Wechselwirkungen sind allerdings nur deshalb möglich, weil alle Elementarteilchen eine Art schwingende Energieeinheit darstellen. Eine Schwingung ist jedoch eine Bewegung, und eine Bewegung ist immer eine Strecke pro Zeit. Materie kann also nur deshalb bestimmte Kräfte entwickeln, weil es Zeit gibt. Gibt es keine Zeit, gibt es keine Atomkräfte. Und wenn es keine Kräfte gibt, bleibt nur noch der leere Raum übrig. Verschwindet die Zeit, verschwindet alles.

Das Vorhandensein von Zeit ist die alleinige Ursache, warum eine sichtbare Welt existiert.

Der-, die- oder dasjenige, das die Zeit hervorbrachte, ist praktisch der alleinige Schöpfer unserer Welt. Und jetzt wird es langsam interessant: Kein Wissenschaftler bestreitet mehr ernsthaft, dass es einen Urknall gab. Und genau dieser sogenannte Big Bang erschuf eben nicht in erster Linie unser Universum, sondern vor allem Raum und Zeit (Quelle 1).

Der Urknall war das Ereignis, das die Zeit hervorbrachte.

Da wir Menschen nur in Raum und Zeit denken können, ist es der Urknall selbst gewesen, der den menschlichen Gedanken per se möglich machte. Erst dadurch sind wir überhaupt in der Lage, nach dem Sinn zu fragen. Deshalb ist es auch absurd zu fragen, was vor dem Urknall war, denn da gab es keine Zeit – also keine Gegenwart, keine Zukunft und keine Vergangenheit. Wir können nicht nach etwas fragen, was die Frage selbst erschaffen hat. Der britische Physiker Stephen Hawking formulierte es einmal so:

„Zu fragen, was vor dem Beginn des Universums war, ist so sinnlos wie die Frage: Was ist nördlich vom Nordpol?“

Aus wissenschaftlicher Sicht wäre damit folgende Aussage durchaus erlaubt:

Unsere Welt ist nicht entstanden, vielmehr wurde sie eingeschaltet!

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Aber hat Leben nicht 13,8 Milliarden Jahre benötigt, um zu entstehen? Faktisch ist diese Aussage richtig, jedoch entstanden die dazu notwendigen Grundstoffe praktisch sofort. Bereits eine Sekunde nach dem Urknall entwickelten sich die ersten Elektronen. Schon nach drei Minuten entstanden die ersten Atome (überwiegend Wasserstoff, dazu ein bisschen Helium, Lithium, Beryllium und Bor) und nach ein paar weiteren Minuten war alles erledigt (Quelle 2).

Bereits nach 15 Minuten war der komplette subatomare Baukasten für alles, was je in der Welt entstanden ist, vollständig erschaffen.

Danach bildeten sich zwar in den Sternen durch Kernfusion alle weiteren Atome, die wir aus unserem heutigen Periodensystem der Elemente kennen, aber im Prinzip handelte es sich bei diesem Vorgang lediglich um die Verschmelzung derjenigen Grundbausteine, die schon vorhanden waren. Somit bestehen wir alle aus etwas, das direkt durch den Urknall erschaffen wurde.

Alle subatomaren Bestandteile, die heute unseren Körper ausmachen, sind so alt wie das gesamte Universum selbst.

Daneben brachte dieses paradoxe Schöpfungsereignis noch etwas viel Interessanteres hervor: Es entstanden gleichzeitig 37 Naturkonstanten (Quelle 3). Sie stehen noch heute im Zentrum der Grundlagenphysik und repräsentieren sämtliche Naturgesetze. Einige ausgewählte Konstanten sind:

  •  Lichtgeschwindigkeit
  •  Elektronenmasse, Neutronenmasse und Protonenmasse
  •  Magnetische Feldkonstante
  •  Elektrische Feldkonstante
  •  Gravitations- und Gaskonstante
  •  Planck-Masse, -Länge und -Zeit
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Diese Naturkonstanten kann man nicht herleiten, berechnen oder auf andere Weise begründen. Sie sind, wie sie sind. Es handelt sich um feste, nicht frei wählbare Bezugsgrößen wie beispielsweise die Erdanziehungskraft, die präzise den Fall eines geworfenen Steins beschreibt. Das Erstaunliche dabei ist jedoch, dass alle 37 Naturkonstanten so unglaublich fein aufeinander abgestimmt sind, dass nur in dieser einen Kombination Leben entstehen konnte (Quelle 4).

Wäre zum Beispiel die Masse des Elektrons im Verhältnis zur Masse des Protons etwas geringer, als sie tatsächlich ist, oder wäre das Verhältnis der Stärke der elektromagnetischen Kraft zur Stärke der starken Kernkraft (die die Atombausteine zusammenhält) ein wenig anders, dann wäre niemals Materie entstanden. Denn dann hätte innerhalb von Sternen keine Kernfusion stattfinden und sich somit kein Kohlenstoff bilden können – der Grundstoff für das Leben hätte also nicht zur Verfügung gestanden.

Alle bis heute geltende Naturgesetze wurden bereits durch den Urknall präzise definiert.

Natürlich könnte auch alles nur ein Zufall gewesen sein. Und wenn sich dieser Zufall nicht ereignet hätte, gäbe es uns Menschen nicht und damit auch niemanden, der solche Fragen stellen könnte. Aber war es tatsächlich nur ein Zufall? Dazu gibt es valide statistische Berechnungen. Der britische Physiknobelpreisträger Roger Penrose errechnete, wie wahrscheinlich es ist, dass alles nur ein Zufall war, und kam zu folgendem atemberaubenden Ergebnis (Quelle 6):

Die mathematische Wahrscheinlichkeit, dass wir ein Produkt des Zufalls sind, liegt bei 1 zu 10 hoch 10 hoch 123.

Damit Sie die gewaltige Dimension dieser doppelten Hochzahl besser einordnen können, stellen Sie sich bitte Folgendes vor: Wenn Sie einen solchen Zufall zum Beispiel mit einem Würfelspiel ausspielen wollten, müssten Sie statistisch 10 hoch 10 hoch 123 Mal würfeln, bis sich endlich diese spezielle Konstellation der 37 Naturkonstanten ergeben würde. Würden Sie alle Nullen dieser gigantischen Zahl der erforderlichen Würfelversuche nur in der Größe eines Atoms ausschreiben, würde diese Zahlenkolonne von Nullen den Durchmesser des gesamten Universums übertreffen.

Oder anders ausgedrückt: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Naturkonstanten das Produkt eines Zufalls sind, ist mathematisch gesehen Null! Das heißt:

Es existiert ein wissenschaftlicher Beleg, dass es einen Sinn des Lebens gibt.

Menschen früherer Kulturen standen diese wissenschaftlichen Erkenntnisse natürlich nicht zur Verfügung. Aber dennoch wussten sie aus heute nicht nachvollziehbaren Gründen davon. Doch waren antike Gelehrte natürlich gezwungen, solche surrealen Bilder, Metaphern und Gleichnisse für ihr intuitives Wissen zu verwenden, die für ihre Zeit gebräuchlich waren. So entstand sicherlich auch die Vorstellung eines Gottes.

Diese Gottes-Idee symbolisiert das Paradoxon, dass die Welt durch etwas erschaffen wurde, das wir wohl niemals verstehen werden. Wir können uns das „nördlich vom Nordpol“ nicht vorstellen. Unser Gehirn kann nicht begreifen, dass es ein Schöpfungsereignis gab, für das der Begriff Zeit nicht gilt. Es geht also um die intellektuelle Akzeptanz von etwas, das wir intellektuell nicht verstehen können. Für die Beschreibung dieser paradoxen, aber durchaus wissenschaftlich fundierten Aussage hat die Menschheit einen schönen Begriff erfunden:

Den Vorgang, einer intelligenten Idee zu folgen, ohne sie jemals verstehen zu können, nennt man „glauben“.

Damit „glauben“ auch Spitzenwissenschaftler, denn sie setzen einen Urknall voraus, den sie selbst niemals werden erforschen können. Sie können lediglich die Vorgänge untersuchen, die kurz danach stattfanden, denn erst dann existierte das Medium Zeit. Wissenschaftler sprechen aber nicht von „glauben“, sondern vielmehr von Thesen, Theorien oder Grundannahmen.

In der Summe müsste jetzt klar sein, was Werner Heisenberg mit dem oben genannten Zitat aussagen wollte. Ein Grundlagenforscher muss nur tief genug in die Gesetze der Natur eintauchen, bis er an einen Punkt gerät, an dem er an die naturgegebene Begrenztheit des menschlichen Denkens stößt. Spätestens dann beginnt die Suche nach Sinn. Besonders dem wissenschaftlich Informierten ist deshalb bewusst, warum auch Wissenschaftler niemals einer Meinung sein werden, denn über Thesen und Theorien lässt sich nun mal vortrefflich streiten.

Wer Wissenschaft versteht, wird ihr niemals die Last der absoluten Wahrheit aufbürden.

Nahezu die gesamte Naturwissenschaft baut auf Grundannahmen auf, die Lebewesen, die in Raum und Zeit leben, niemals werden beweisen können. Folglich sollten wir es der Wissenschaft gleichtun und eine intelligente Idee hinter allem voraussetzen, ohne sie jemals verstehen zu können. Und warum sollten wir diese Idee nicht „Gott“, „Höhere Idee“ oder „Sinn des Lebens“ nennen? Denn daraus resultieren für unseren Alltag durchaus handfeste Vorteile:

Wer sich einer höheren Idee öffnet, wird nur selten ein gehetztes Leben führen.

Ein Mensch, der an den Sinn des Lebens glaubt, wird niemals nur die verstrichene Lebenszeit vor Augen haben oder von Ängsten geplagt sein, bis zu seinem Tod nicht genug erreicht zu haben. Denn er weiß, es geht um ein höheres Ideal hinter allem. Ein Mensch ohne Glauben wird hingegen immer unter Handlungsdruck stehen, da er Angst hat zu sterben, ohne jemals einen Sinn gefunden zu haben.

Folgendes sollten wir also niemals vergessen: Die Grundvoraussetzungen für alles, was ist, ist nicht entstanden, sondern wurde mit dem Akt des Urknalls förmlich „eingeschaltet“. Zudem sprechen alle wissenschaftlichen Indizien dafür, dass es einen intelligenten Plan dahinter gab. Es entstand ein Universum, das nicht nur atemberaubend schön ist, sondern auch seit Milliarden von Jahren perfekt funktioniert. Und was für ein ganzes Universum gilt, muss auch für uns gelten, denn:

Beides – das Universum und der Mensch selbst – haben dieselben Wurzeln und bestehen aus dem gleichen Sternenstaub.

Zeit und Raum ist eine menschliche Illusion, die durch den Urknall eingeschaltet wurde. Und wenn wir den Verursacher dieses paradoxen Schöpfungsereignisses Gott nennen wollen, dann kann es in seiner Welt keine Zeit geben. Infolgedessen ist er überall und nirgendwo und das zugleich in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Und wenn wir den Begriff „Gott“ mit dem Wort „Sinn“ ersetzen, dann muss es überall und zu jeder Zeit einen Sinn des Lebens geben. Aber wie gesagt: Wir beschäftigen uns dabei mit dem „nördlich vom Nordpol“ …

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Luca Rohleder, Autor des Romans DIE SUCHE NACH SINN

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QUELLENANGABEN ZUM ARTIKEL:
1) https://www.mdr.de/wissen/hat-zeit-einen-anfang-100.html
2) http://www.sun.org/de/encyclopedia/a-short-history-of-the-universe
3) https://www.wissenschaft.de/astronomie-physik/zahlen-die-die-welt-regieren/
4) https://praxistipps.focus.de/was-sind-naturkonstanten-einfach-erklaert_96637
5) https://www.focus.de/wissen/bild-der-wissenschaft/tid-8337/entropie_aid_230081.html


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